Don't stop me now, I'm having such a good time!

Nun finde ich mal wieder die Zeit ein paar meiner Erlebnisse und Gedanken, die mir hier in Sofia begegnen, mit Euch zu teilen. Ich habe mich jetzt eine Weile nicht gemeldet und fuer jene, die nun unter einem Informationsmangel leiden, tut mir das leid. Fuer mich selbst allerdings nicht im Mindesten. So viel ist passiert und oft habe ich darueber nachgedacht, mal wieder zu berichten, aber im naechsten Moment war ich wieder vollstaendig damit beschaftigt im Jetzt zu leben. Aus meiner jetzigen Perspektive kann ich sagen, dass das ein grosser Segen war und ist.
Nun aber genug eingeleitet. Хайде! Los gehts!

Chronologisch gesehen... Was ist so passiert in letzter Zeit?

Wir hatten fuer drei Tage Besuch von Nicki (einem ehemaligen Freiwilligen) und Christoph (einem Freund von ihm). Nicki konnte viel davon erzaehlen, wie anders Sofia noch vor 2 Jahren war, wer und was seine damalige Freiwilligenzeit gepraegt hat und was wir in unserem Jahr hier keinesfalls verpassen sollten. Die Zeit mit den beiden Tirolern war wirklich schoen und angenehm (zugegeben auch ab und zu recht feuchtfroehlich) und so habe ich sie verlaengert indem ich die beiden auf eine weitere Etappe ihrer Balkanreise begleitet habe.
Fuer 2 Tage habe ich also Sofia den Ruecken zugekehrt und mir Plovdiv ein wenig erschlossen. Dabei durfte ich feststellen, dass Plovdiv eindeutig die schoenere, ordentlichere und gepflegtere von beiden Staedten ist - allerdings aber viel verschlafener, um nicht zu sagen langweiliger, als Sofia. Wir haben in Plovdiv in einem winzig kleinen Hostel gewohnt und auch einen geselligen Abend mit anderen Reisenden verbracht. Das Hostel ("Hostelmostel" genannt) empfehle ich hiermit jedem, der mal in Plovdiv vorbeischneit... aber wie gesagt: Sofia ist aufregender ;)
Freilich haben wir uns Plovdivs schoene Innenstadt angeschaut, aber abgesehen davon waren wir auch mal auf dem Land und haben die Apfelplantage eines Freunds von Nicki besucht. Besagter (Miro) fuehrt dort seit einigen Jahren ein Familienunternehmen. Das rege Treiben der Familie war sehr schoen zu beobachten und ihre Gastfreundschaft tat fast weh. Sie tischten zuallererst einmal ein Баница- и Кафе-закуска (Banitza- und Kaffee-Fruehstueck) auf und luden uns dann noch ein, Aepfel, Gewuerze, Salat und anderes zu pfluecken soviel wir wollten.
Die paar Tage ausserhalb Sofias haben mich zwar einerseits ein wenig aus dem Concordiarythmus gebracht, was ich fuer kurze Zeit auch ein wenig bedauert habe, aber andererseits habe ich so eine andere Seite Bulgariens kennengelernt. Ich denke es war alles in allem eine gute Entscheidung, dem spontanen Vorschlag die beiden Jungs zu begleiten, nachzukommen.
"Danke Kolo, danke Itzo" sei an dieser Stelle gesagt!

Ende September hatten wir hier im Haus Herbstbasar. Solche Basare finden 2-3 mal im Jahr statt und es werden stets nur selbstgebastelte und -gebaute Werke der Jugendliche an interessierte Besucher des Basars verkauft. Der Basar war gut organisiert und umgesetzt und es wurden  wirlich schoene Dinge verkauft (Tonvasen, -Tassen, -Schalen, Kerzen, Schmuck: siehe Fotos). Die Jugendlichen waren gut drauf und wie mir schien teils ganz aus dem Haeuschen, weil sie verkaufen durften. Einzig schade war, dass ausgesprochen wenige Besucher kamen und es sich so eher wie ein internes Concordia-Herbstfest angefuehlt hat, was allen beteiligten aber trotzdem Freude gemacht hat. Facebook-Mitglieder koennen hier einige Bildimpressionen vom Herbstbasar sehen: BILDER.

Waehrend der letzten Woche war nun mein Bruder Anton hier zu Besuch um unter anderem am Samstag mit mir gemeinsam meinen Geburtstag zu feiern. Gerade dieses Vorhaben ist leider nicht all zu gut gelungen. Das lag gar nicht an Anton sondern an meiner Grundstimmung  und einigen unerfreulichen Ereignissen. Beispielsweise bin ich an diesem Tag um ein blaues Auge reicher und ein Portmonee aermer geworden. Aber so werde ich den Tag zumindest nie vergessen und mal ehrlich: Ist es nicht eigentlich die hohe Erwartung an bestimmte Tage oder Ereignisse, die dann das Glueck aus ihnen raussaugt? Es gab auch sehr schoene Momente an meinem 19. Geburtstag, die ich nicht vergessen werde.
Abgesehen von diesem Tag hatten wir ne wirklich lustige, angenehme, froehliche, erlebnisreiche und ab und zu sogar aktive gemeinsame Zeit. Oft hat Lukas Anton und mich auf Ausfluegen zu den schoensten Orte Sofias begleitet. Zu sehen, wie Anton und er sich verstehen, war auch eine echte Freude!
Anton hier zu haben, ihm mein neues zu Hause zu zeigen und ihn in meine verrueckte Welt einzufuehren war wirklich schoen und ereignisreich.  Zugleich hat mir die Gastgeberrolle auch vergegenwaertigt, was und wer mir hier in Sofia schon alles ans Herz gewachsen ist und gegen Ende der gemeinsamen Zeit habe ich mich richtig auf meinen Alltag gefreut. Das natuerlich nicht, weil ich Anton loswerden wollte - das will ich nie -, sondern weil ich gemerkt habe, wie sehr ich mich an diesen Alltag gewoehnt habe. Diese Stadt und dieses Haus fuehlt sich fuer mich nun wirklich zu Hause an, denn ich habe mir alles vertraut gemacht und nun faellt es in gewisser Weise auch schwer, das zu teilen bzw. gut rueberzubringen.
Mein lieber grosser Bruder, dir sei jedoch gesagt: Tausend Dank, dass du hier warst und nun ein Stueck meiner Welt mit nach Dresden nimmst!

Nun zum Abschluss meines heutigen Erzaehlens noch ein paar kurze Blitzlichter.

  • Es gibt hier einen kleinen Jungen im Haus (C., 9 Jahre)). Dieser Junge spricht fuer sein Alter sehr schlecht und ist ausserdem kein Rom, weswegen er von den anderen Kindern gemobbt und nicht angenommen wird. C. hat in Lukas wohl einen grossen starken Freund gefunden. Regelmaessig drehen die beiden zusammen Runden durchs Haus. C. darf den Schluessel tragen und jede moegliche Tuer auf- und wieder zuschliessen. Der kleine Junge entwicklt fuer diese Taetigkeit beinahe einen Fetisch. Diese kleine Aufmerksamkeit Lukas' ist ihm zu einem grossen Geschenk geworden, denke ich. Ansonsten ist mir schon oft aufgefallen, welches Grab fuer Kindertraeume in Cs Augen funkelt, vermutlich haelt er sich gerade deswegen an jede Aufmerksamkeit, die er haben kann.
  • An einem Tag habe ich mich den ganzen Vormittag einem kleinen Maedchen gewidmet, dass hier ins Tageszentrum kommt. Erst sass sie auf dem Skateboard und ich habe sie immer angestossen, wobei sie einen Heidenspass zu haben schien und dann sind wir zusammen in die Kapelle gegangen und haben gemeinsam Klavier und Gitarre gespielt. Sie wurde ganz still und aufmerksam, ihre Augen immer groesser.
  • Waehrend einer meiner Nachtschichten stand mitten in der Nacht ein Jugendlicher (P.) vor  mir und klagte ueber extreme Schmerzen im Blinddarmbereich. Ich dachte die Welt geht unter. Nachts hier im Haus, nur ich und die Jugendlichen und eine womoeglich akute Blinddarmentzuendung... Aber auch das ging vorbei. P. ging nach kurzer medizinischer Versorgung (ein anderer Jugendlicher, der wohl schonmal diese Krankheit hatte, half mir) ins Bett und schleif dann durch. Glueck gehabt...
  • Vor einigen Tagen sass eine Kollegin (Z) am Ende ihrer Schicht neben mir im Hof und rauchte eine Zigarette. Um sie herum das bunte und verrueckte Treiben der Jugendlichen, die immer irgendwas zu erzaehlen haben. Ploetzlich grinste Z und sagte: "I hate them all but I love them all." Ich fand das ganz passend., denn so ist es. Soviel Mist die Jugendlichen auch machen und so nervig, frech, aggresiv oder faul sie auch sein moegen. Die Liebenswuerdigkeit ueberwiegt doch und das merkt man recht schnell.

Damit war es das fuer heute. Glueckwunsch wenn Du es geschafft hast, bis hier unten durchzuhalten. Dann weisst du jetzt hoffentlich, wie gut es mir hier geht und wie passend das Queen-Zitat aus der Ueberschrift auf meine Situation hier passt.
Ich gruesse DICH ganz herzlich aus Sofia und wuensche dir aehnlich gutes Befinden!

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Kommentare: 2
  • #1

    Clara (Samstag, 27 Oktober 2012 20:15)

    Ich freue mich so für dich und bin gerade auf ähnlichen Wegen tausende Kilometer von dir entfernt.
    Ich drücke dich fest

  • #2

    Franzerl (Dienstag, 30 Oktober 2012 18:34)

    Schön von dir zu lesen! (Und besser spät als nie, hab lang nicht mehr reingeschaut ;) )
    Und eigentlich noch schöner zu lesen, dass du keine Zeit/keine Lust zum Schreiben hast --- genieß dein Leben dort und nutz die Zeit :)
    Ich denk an dich!
    Die Lieblingscousine.